Für Kinder und Jugendliche bis sechzehn Jahre


Es war einmal ein kleiner Bub. Den ganzen lieben Tag trieb er nur Unfug. Sie nannten ihn „den wilden Philipp“. Er hat seine Eltern und Lehrer zur Verzweiflung gebracht. Keine Minute konnte er still sitzen. Er weigerte sich, sich zu waschen, die Zähne zu putzen, Zehen- Fingernägel und Haare zu schneiden. Am liebsten tollte er im Freien herum. Schlägereien waren an der Tagesordnung.


Mit sechzehn begann er zu saufen. Er leerte ein Weinfass ohne einmal abzusetzen. Aber er war niemals betrunken. Um nüchtern zu bleiben hob er seine Schädeldecke ab und liess den Alkohol ins Freie entweichen. Und Nachts, wenn er im Dunkeln nach Hause ging zündete er seine Alkoholfahne an und so hatte er auch noch Licht.


Wieder einmal liess er im Niederdorf die Sau ab. Da hat ihm jemand K O – Tropfen ins Bierglas geschüttet. Als er wieder aufwachte, dachte er: „ Ich bin im falschen Film“. Er befand sich in einem reich verzierten prächtigen Raum und in einem riesigen Bett. Die Verzierungen an den Wänden und er Decke waren ganz anders als er es von Zuhause gewohnt war. Es waren abstrakte Ornamente.


Da öffnete sich eine Tür und ein junger Mann mit einem prächtigen Bart trat ein. Auf dem Kopf trug er farbige Tücher zu einem Knoten gebunden und auf den Händen balancierte er ein Tablett mit Köstlichkeiten. Es roch nach Curry und Kurkuma. Vom Saufen hatte er noch einen trockenen Mund. Sofort nahm er das Glas vom Tablett und stürzte das Getränk ein einem Zug hinunter. Es schmeckte köstlich nach Honig.


„Wer sind sie? Sie tragen ja noch ein Nachthemd, ist es Morgen?. Wo bin ich“ fragte der wilde Philipp verdattert.

„ Ich bin der Löwe von Juda und des ganzen Universums und das ist meine Arbeitskleidung. Du bist dazu auserwählt worden, ein gottesfürchtiger und disziplinerter Mensch zu werden“.

Er stellte eine Lampe auf den Tisch. „Sobald du bereit bist mit den Exerzitien zu beginnen, reibst du an der Lampe. Es wird ein Geist erscheinen und dich unterrichten. Wenn du an der Lampe kräftig reibst wird er brüllen und wenn du nur ganz sachte reibst wird er flüstern".


Nach dem der wilde Philipp gegessen und getrunken hatte rieb er ganz sachte an der Lampe, denn er hatte das erste mal in seinem Leben Angst.. Da öffnete sich die Wand und der Geist trat durch sie in den Raum. Aber er war nicht alleine. Der wilde Philipp konnte sich nicht satt sehen. Zweiundsiebzig schöne Mädchen mit glühenden schwarzen Augen und wogenden Busen begleiteten ihn.


„ Woher kommst du und wer bist du“ fragte der verängstigte Philipp den Geist.

Der Geist flüsterte: „Woher ich komme und wie es da ist steht im Buch, nenne mich einfach Colonel. Lese darin! Morgen komme ich wieder und wir beginnen mit dem Unterricht. Ich mache aus dir einen gottesfürchtigen und disziplinerten Menschen.“


Er legte das Buch auf den Tisch und verschwand mit samt seinem Gefolge.


Am nächsten Morgen brachte ein Mädchen das Frühstück. Als er sie sah, vergass er das Buch und die zweiundsiebzig Mädchen, denn diese war anmutiger und schöner als alle die Mädchen mit den glühenden schwarzen Augen und den wogenden Busen.


Ängstlich fragte der wilde Philipp. „Bist du ein Geist wie der Colonel“?

Er konnte kaum glauben, dass es so viel Schönheit auf Erden gab.

„Nein, ich bin die Facebookkupplerin und aus Fleisch und Blut“.


Er verliebte sich unverzüglich in sie und wollte sie auf der Stelle heiraten. Sie heirate nur einen gottesfürchtigen und disziplinierten Mann antwortete sie. Da begann er wie besessen in dem Buch zu lesen und befolgte alle Anweisungen des Geistes aufs genaueste.


Damit er ein disziplinierter Mensch wurde musste er jeden Tag acht Stunden stramm stehen. Nach drei Monaten war der Unterricht beendet und er für die grosse Tat vorbereitet.


Da er nun ein gottesfürchtiger und disziplinierter Mensch war bekam er einen neuen Namen. Von nun an hiess er Sindbad der Abenteurer. Jetzt musste er abschied nehmen und in seine alte Heimat zurückkehren. Es war eine beschwerliche Reise die ihn durch die Wüste bis an das Meer führte. Mit einem kleinen Fischerboot erreichte er Lampedusa. Von da reiste er nordwärts, bis er in seiner alten Heimat ankam.


In seiner Heimat fand er sofort eine Anstellung in einem Unternehmen, dass Events organisierte. Er war ja ein disziplinierter Mensch und eine Stütze der Gesellschaft geworden. Sein Job war Strammstehen. In eine schmucke Militäruniform gekleidet stand er bei gesellschaftlichen Anlässen stramm ,das hat er ja ausgiebig geübt, gab den Anlässen den würdigen Rahmen und begrüsste so die Gäste. Wenn die Gäste im Dunkieln nach Hause gingen, konnte er, in dem er seine Schädeldecke abhob und die Alkoholfahne anzündete, ihnen den Weg leuchten.


Beim Strammstehen dachte er immer nur an die Facebookkupplerin. Noch konnte er sie nicht heiraten. Zuerst muss er die grosse Tat vollbringen. Diese wird ihn berühmt machen. Ja, dann wird sie ihn sicher nehmen.


Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute.


David Schlatter - Erdhausen 23 - 9315 Neukirch (Egnach)